Das Geheimnis starker Marken
Zusammenfassung:
- Ab wann besitzt man wirklich eine Marke?
- Was ist Markenenergie und wie kann man sie nutzen?
- 5 Wege Markenenergie herstellen
Hat man eine Marke, wenn man ein Logo eingetragen hat, einen schönen Internetauftritt besitzt oder kreative Anzeigen oder TV-Spots schaltet? Leider trifft man in der Praxis immer noch Unternehmen an, die Marke ausschließlich mit diesen Attributen verbinden. In der Markentheorie hat sich jedoch mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Marken nicht in einem Zeichensystem oder in Werbung erschöpfen, sondern dynamische, lebende Wirtschaftssysteme sind, deren Wachstumsenergie von der Systemebene der Kundschaft ausgeht. Die Marke also das Geschäft macht.
Nach dieser Ansicht besteht die Marke als „ökonomisches Energiesystem“ aus zwei Teilsystemen: Dem Unternehmen mit seinen Produkten und den Kunden mit ihren Bedürfnissen. Nur durch deren permanenten Austausch, indem die Unternehmensleistung auf Resonanz stößt, also für den Kunden relevant ist, kann Energie entstehen und in das Wirtschaftssystem in Form von Geld eingespeist werden. Findet kein Austausch mehr statt, also erzielt die Unternehmensleistung keine Resonanz bei den Stakeholdern, versiegt der Einzahlungsstrom und das Unternehmen kann nicht mehr existieren. Markenenergie ist demnach im Teilsystem der Kundschaft gespeichert und nicht im Unternehmen. Das Wachstum des Markensystems geht deshalb nur von der Kundschaft aus und nicht vom Unternehmen. Es geht also nicht darum viele Produkte herzustellen, sondern das Vertrauen vieler einzahlender Kunden zu gewinnen und diese zu einer loyalen Kundschaft zu verbinden.
Wie schafft man es aber eine treue Kundschaft als wachstumstreibendes Energiesystem aufzubauen und vor allem zu erhalten? Durch eine emotionale Prägnanz der Markenleistung und damit verbundener Nutzenaspekte „in den Köpfen“ der Kunden! Denn Markenenergie heißt einfach ausgedrückt „einzahlende Kundschaft“.
Dabei sollte man den Begriff „Emotion“ nicht falsch interpretieren, denn Menschen wollen ja von Natur aus mit Marken gar keine emotionale Bindung eingehen. Es bedarf vielmehr wirkungsvoller Stimuli, die es ermöglichen, dass Menschen sich gefühlsmäßig mit einer Marke verbünden. Denn „Emotionen haben nicht die Funktion unser Herz zu erwärmen. Sie sind vielmehr unterbewusste Prozesse, die auf bestimmte Stimuli reagieren, uns vor Gefahren schützen und hin zu Chancen treiben.”, wie Douglas van Praet, der Autor von “Unconscious Branding: How Neuroscience Can Empower (and Inspire) Marketing”, im Fast Magazine schreibt.
Das Problem: Immer mehr Marken verlieren Energie.
Starke Marken mit hoher Eigenenergie bieten deshalb Differenzierung und erzeugen Relevanz mit wirkungsstarken Emotionen auslösenden Stimuli: Sie differenzieren sich klar von anderen Marken, begeistern ihre Kunden immer wieder mit attraktiven Angeboten mit hohem Nutzenfaktor und bieten so Orientierung und Sicherheit. Dabei verlieren sie ihren Leistungssinn und selbstähnlichen Stil nicht aus den Augen. Denn es geht nicht darum alles neu zu erfinden, also auf „Teufel komm raus“ innovativ zu sein, sondern das Vertraute zu verstärken, zum Beispiel Rituale zu reproduzieren und modern zu interpretieren.
Das scheinen aber immer weniger Marken zu schaffen, wie fortlaufende Untersuchungen der Agentur Young & Rubicam ergeben. Auf Basis einer Datenbank, die mittlerweile über 40.000 Marken umfasst, messen die Spezialisten mit einem speziell entwickelten Tool, dem Brand Asset Valuator (BAV), seit 1993 die Entwicklung der Marken in über 40 Ländern – entlang von mehr als 75 Messgrößen. Die beunruhigenden Ergebnisse dieser Analysen stellen John Gerzema und Ed Lebar nun in ihrem Fachbuch „The Brand Bubble“ vor. Danach ist der Wert der Marken, gemessen an der Glaubwürdigkeit, Wertschätzung, wahrgenommenen Qualität und Markenbekanntheit, über die untersuchten Jahre stark gesunken. So ist zum Beispiel die Glaubwürdigkeit innerhalb von zwölf Jahren um fast 50 Prozent zurückgegangen, die Wertschätzung um 12 Prozent und die wahrgenommene Markenqualität um 24 Prozent. Selbst die Markenbekanntheit ist um 24 Prozent gesunken. Und diese Entwicklung hat sich seit dem Finanzschock 2008 fortgesetzt und sogar noch beschleunigt.
Die einzige Ausnahme bilden „energiegeladene Marken“. Sie konnten insgesamt nicht nur den drohenden Imageverfall abwehren, sondern auch nachhaltig zum finanziellen Erfolg ihres Unternehmens beitragen. So haben Robert Jacobson von der University of Washington und Nathalie Mizik von der Columbia University in einer BAV-Analyse nachgewiesen, dass bei energiegeladenen Marken ein Zuwachs an Energie und eine positive Veränderung der Einstellung zur Marke den Aktienkurs nach oben treiben. Seither hat auch das Young & Rubicam BAV-Team „Differenzierung“ neu definiert und spricht jetzt von „energiegeladener Differenzierung“, weil Differenzierung ohne Energie nicht die gleiche Wirkung erzielt.
Die Lösung: Die Markenleistung mit Energie aufladen.
Wie kann man „energielose Marken“ wieder mit neuer Energie aufladen? Eine effiziente Methode ist, die Markenleistung, also das Geschäft, mit neuer Energie aufzuladen, um seine Kunden wirksam zu stimulieren. Schauen wir uns doch einfach einige Möglichkeiten an, wie erfolgreiche Marken „Energie tanken“.
- Die Marke ist dynamisch und innovativ
Die Marke steht für innovative Produkte, die den Kunden immer wieder begeistern und einfach „must have“ sind.
So hat es Apple mit seiner Strategie, die Marke für die „Kreativen“, also Designer, Maler, Musiker etc., zu positionieren und mit dem damit verbundenem Lebensgefühl emotional aufzuladen, geschafft, dass Menschen sogar vor den Apple-Shops übernachten, um sich ein neues Mobiltelefon – von denen es eigentlich jede Menge Angebote im Markt gibt – als Erste zu ergattern. Denn wer kreativ sein will und sich als Ästhet versteht, kauft nun einmal Apple und nicht einfach ein Handy, sonder ein original iPhone von Apple. So einfach ist das.
Innovationen sollen den Kunden jedoch einen Nutzen stiften und nicht zum Selbstzweck verkommen. Dabei muss die Innovation gar nicht spektakulär sein, sondern zum Beispiel einfach nur praktisch. 3M hat das zu seiner Philosophie erklärt und überrascht seine Kunden immer wieder mit praktischen Produkten, wie zum Beispiel den Ultra-Schwämmen unter seiner Marke Scotch Brite: Die 3-in-1 Lösung – die neuen Schwämme reinigen, trocknen und schonen in einem.
Gerade in der B2B-Branche werden Innovationen großgeschrieben. Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens TNS Infratest im Jahr 2013 sehen die befragten B2B-Marketer dabei jedoch die Notwendigkeit, sich stärker an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren und die Innovationen wirklich auf kundenspezifische Lösungen auszurichten. Doch wie die Studie weiter ergab, fehlen oftmals ausreichende und präzise Informationen über die Kunden und deren Bedürfnisse.
Der mittelständische Erntemaschinen-Hersteller Holmer ist hier schon einen Schritt weiter und richtet seine Innovationspolitik konsequent an den Bedürfnissen seiner Kunden aus. Dabei nutzt das Unternehmen die sozialen Netzwerke und seine Online-Präsenzen für einen aktiven Austausch mit seiner Zielgruppe der Landwirte und Agrarbetriebe und stärkt so seine Markenpositionierung.
Auch der Endoskopie-Spezialist Karl Storz aus Tuttlingen in der schwäbischen Alb hat mit dem mobilen Endoskopiegerät „Tele Pack X“ eine Innovation entwickelt, die klar auf das Bedürfnis der Kunden nach einer komfortablen Lösung ausgerichtet ist: Alle Komponenten, die bisher aufwändig einzeln eingesetzt werden mussten, sind jetzt in einem und nur sieben Kilogramm schweren Gerät integriert.
- Die Marke ist inspirierend und aktivierend.
Die Marke regt die Menschen an über Neues nachzudenken und gehört zu ihrem Lifestyle oder unterstützt ein spezielles Hobby.
So liefert zum Beispiel die Marke Lego immer wieder kreative Ideen zum Bauen und Spielen und schafft durch ihre Freizeitparks abwechslungsreiche Erlebnisse für die ganze Familie.
Die amerikanische Marke Starbucks eroberte mit ihren kreativen Kaffeespezialitäten die Herzen der Kaffeegenießer im Sturm, verschafft mit ihrem Ethikcode sogar ein „Gutes Gewissen“ und der aus dem Leben nun nicht mehr wegzudenkende „Lieblingskaffee“ ist jetzt sogar in appetitlichen Kreationen und gut gekühlt im Supermarkt oder an der Tankstelle ohne Aufwand „um die Ecke“ erhältlich.
- Die Marke ist engagiert und sinnerfüllt
Die Marke setzt sich für einen höheren Zweck ein, der für den Kunden von Bedeutung ist.
So übernimmt die Outdoor-Sportmarke Patagonia ökologische und soziale Verantwortung: Patagonia kooperiert zum Beispiel mit der Nature Conservancy und Ovis XXI, einem argentinischen Netzwerk von Wollproduzenten, um durch diese innovative Partnerschaft die Folgen einer über 100 Jahre andauernden Überweidung von 60.000 km² des einzigartigen patagonischen Graslandes umzukehren. Die dabei nachhaltig erzeugte Merinowolle verwendet Patagonia für seine Merino-Funktionswäsche, Merino-Socken und die Merino-Strickjacken für Frauen.
Die Marke Alnatura folgt anthroposophischen Grundsätzen und will „Sinnvolles für Mensch und Erde“ tun. Dafür bietet sie 1.100 verschiedene Bio-Lebensmittel an und versteht sich als „…eine Arbeitsgemeinschaft von über 1.700 Mitarbeitern – wir engagieren uns täglich dafür, dass mehr Lebensmittel aus biologischem Landbau ihren Weg von den Bio-Höfen zu unseren Kunden finden“. Dabei fühlt sich das Unternehmen dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet: „Wir wollen Nachhaltigkeit neu denken, ganzheitlich handeln und so eine zukunftsgerechte Gestaltung der Welt für Mensch und Umwelt ermöglichen. Die nachhaltige Gestaltung unserer Umwelt betrifft schließlich jeden von uns. Deshalb gehen wir Nachhaltigkeit gemeinsam mit allen Mitarbeitern, Partner-Unternehmen und Kunden an.”
Auch die japanische Marke Muji, hergeleitet von Mujirushi Ryōhin, was übersetzt soviel bedeutet wie: „Keine Marke, gute Produkte“, spielt die ökologische Karte und setzt auf Produkte mit minimalistischem Design und purer Funktionalität, die möglichst ressourcenschonend hergestellt wer-den. Die Angebotspalette umfasst Schreibwaren, Büroartikel, Kosmetika, Haushaltsgeräte, Kleidung und Möbel. Interessant ist, dass namhafte Designer auf der ganzen Welt für Muji arbeiten, aber anonym bleiben, da lediglich das Design und der hohe Gebrauchswert der Produkte den Kunden überzeugen sollen.
- Die Marke ist interessant und spannend
Die Marke liefert mit öffentlichkeitswirksamen Ereignissen Gesprächsstoff und erzeugt so eine hohe Identifikation mit dem Markenunternehmen.
Red Bull unterstützt seine Markenpositionierung „Red Bull verleiht Flügel“ mit „energiegeladenen“ Events, wie den Red Bull Stratos oder Red Bull Romaniacs. Im Stratos Projekt, einem Fallschirmsprung aus der Stratosphäre, brach am 14. Oktober 2012 der österreichische Base-Jumper und Extremsportler Felix Baumgartner mehrere aeronautische Weltrekorde. Das Projekt wurde hauptsächlich von Red Bull gesponsert und von der NASA und der US Air Force logistisch und mit technischer Expertise unterstützt.
Beim Red Bull Romaniacs, dem härtesten Enduro-Rennen der Welt, messen sich die Besten im Off-Road-Motorcycling. Hier ist Graham Jarvis von Husqvarna der amtierende Champion. Er gewann das rumänische Rennen unglaubliche vier Male und siegte dieses Jahr bereits beim Hells Gate.
Gemäß seinem Versprechen „Wir machen Sport“ unterstützt SportScheck das aktive, die Gesundheit fördernde, Laufen und tritt als Sponsor bei Stadtläufen in Erscheinung. So ist der Münchner Sporthändler mittlerweile bei Stadtläufen in 20 deutschen Städten präsent. Denn obwohl die große TV-Präsenz fehlt, sind Events für Freizeitsportler für Sponsoren attraktiver als Fußball oder die Formel 1. Die Voraussetzung: Der Sponsor muss dem Läufer einen konkreten Nutzen bieten. Und das dürfte für SportScheck sicher kein Problem sein.
Sponsoring ist gerade für kleinere Unternehmen ein probates Mittel zur Profilierung ihrer Marke. Denn kleine Unternehmen stehen oft vor dem Problem, dass ihr Werbebudget äußerst knapp bemessen ist. Ein konkurrenzfähiger Werbedruck lässt sich so kaum aufbauen. Sponsoring kann dabei helfen, sich bei seiner Zielgruppe zu positionieren und das Image der eigenen Produkte zu verbessern. Dabei werden besonders hohe Recall-Werte im Kultursponsoring erreicht. So zeigen Studien, dass sich durchschnittlich 43 Prozent der Befragten nach der Veranstaltung an den Namen des Hauptsponsors erinnern können. Und 90 Prozent haben gegenüber Kultursponsoring eine positive oder sehr positive Einschätzung.
Neben prestigeträchtigen Großveranstaltungen, die meist von finanzkräftigen Konzernen oder Banken und Versicherungen gesponsert werden, gibt es im lokalen und regionalen Bereich zahlreiche Events und Kulturprojekte, die auf Sponsorengelder angewiesen sind. Dabei ist Kultursponsoring im Gegensatz zum klassische Mäzenatentum ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die Kulturschaffenden sind durch die bereitgestellten Gelder in der Lage, ihre Projekte zu realisieren und der Sponsor erhält im Gegenzug eine Kommunikationsplattform, die er gezielt für seine Zwecke nutzen kann.
- Aus den Markenwerten denken und die Selbstähnlichkeit erhalten.
Marken müssen ihre Leistungen und Produkte also immer wieder mit neuer Energie aufladen, sonst verlieren sie den Anschluss an ihre Kunden. Dabei gilt es aus der authentischen Identität der Marke und den darin abgelegten Kernwerten als Sinnträger zu denken. Und die Selbstähnlichkeit der Marke nicht zu verletzen. Denn passen die Innovationen oder kreativen Ideen nicht zum Sinn und Stil der Marke, erreicht man genau das Gegenteil: Die Kunden werden irritiert, das Vertrauen in die Markenleistung wird erschüttert und die Kundenbindung löst sich. Mit dem Ergebnis, dass die Marke nicht mit Energie aufgeladen, sondern entladen wird.
Das Wissen über die Identität der Marke ist damit die Grundvoraussetzung, damit die Markenleistung immer wieder mit neuer Energie aufgeladen werden kann. Ist jedoch die wertegeleitete Identität und das darin abgelegte „Erfolgsmuster“ der Marke nicht bekannt, stellt das ein nicht zu unterschätzendes Risiko in der Markenführung dar.