Die Macht des frischen Windes
Zusammenfassung
- Der Fluch des Gewohnten und die Angst vor Veränderung verhindern oft, dass Manager die Chance zur Veränderung wahrnehmen.
- Manager „igeln“ sich immer mehr in ihrer Komfortzone ein.
- Im heutigen disruptiven Umfeld ist eine Aktualisierung der Marke jedoch notwendig, um eine Markenerosion zu vermeiden.
- Engelbert Strauss dient hier als gutes Beispiel für die Umsetzung des frischen Windes.
Die Trägheit des menschlichen Geistes ist das Gegengewicht zur Innovation des frischen Windes. Technologien haben oft disruptive Energie. Was oft unterschätzt wird, ist der Umstand, dass Menschen und Gesellschaften eine viel geringere disruptive Energie an den Tag legen. Die Umsetzung einer neuen Idee impliziert die Aufgabe von Bewährtem und Vertrautem sowie eines bestimmten Wissensbestandes. Zudem ist die kognitive Verarbeitung von Neuem mit Energieeinsatz verbunden – das menschliche Gehirn wurde im Laufe der Evolution jedoch auf den sparsamen Gebrauch von Energie getrimmt. Das Neue muss sich also gegen die Biologie unseres Gehirns durchsetzen – muss sich quasi vor unseren neuronalen Netzen rechtfertigen. Das ist das Problem des frischen Windes.
Die Angst vor dem Wirbel
Manager „igeln“ sich oft ein, weil sie ein kreatives Chaos und den Verlust der lieb gewordenen Ordnung befürchten. Sie müssten sich nicht nur von Teilen ihres Wissensbestandes und gewissen Einschätzungen verabschieden, sondern auch organisatorisch-konzeptionelle Veränderungen in der Art und Weise vornehmen, wie das Unternehmen heute strukturiert ist. Diese Manager haben Angst, dass ihre bestehende Ordnung durch neue strategische und kreative Ansätze durcheinandergewirbelt wird. Diese dünne Schicht der Gewohnheit ist jedoch eine Gefahr für Marken. Sie verhindert die notwendigen Aktualisierungen des Markenauftritts und damit des Markenimages. Frischer Wind ist jedoch wichtig, denn dieser lässt Märkte wachsen und bringt Menschen voran. Die beständige Vitalität im Marketing ist kein Nice-to-have, sondern eine Notwendigkeit angesichts einer sich schnell verändernden Gesellschaft. Apropos Veränderung: In Sachen Marke bin ich ein Freund der Evolution. Sprich: Neues zulassen und das Gute vom Alten bewahren.
Frischer Wind ist Marketingqualität. Es ist das attraktiv Neue und das differenzierend Andere, welches ein Unternehmen weiterbringt und eine Marke wachsen lässt – nicht das ewig Gestrige im Sinne von: „Das haben wir schon immer so gemacht.“
Schöpferische Zerstörung
Wir müssen uns jedoch auf die immer relevanter werdende disruptive Energie einlassen, damit Innovation möglich wird. Joseph Schumpeters beschrieb dieses Konzept in seinem Standardwerk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ als schöpferische Zerstörung:
„Die Eröffnung neuer, fremder oder einheimischer Märkte und die organisatorische Entwicklung vom Handwerksbetrieb und der Fabrik zu solchen Konzernen wie dem U.S.- Steel illustrieren den gleichen Prozess einer industriellen Mutation – wenn ich diesen biologischen Ausdruck verwenden darf –, der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft. Dieser Prozess der ‚schöpferischen Zerstörung‘ ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum. Darin besteht der Kapitalismus und darin muss auch jedes kapitalistische Gebilde leben.“
Der „frische Wind der kreativen Zerstörung“ wurzelt in dem von Schumpeter so trefflich beschriebenen wirtschaftlichen Prinzip der Innovation. Er steht für eine effektive Verwendung von Budgets in einem sich ständig verändernden disruptiven Umfeld. Es gilt, die eigenen Muster zu reflektieren und zu hinterfragen: Sind diese noch zielführend? Brauchen wir den Blick durch eine neue Brille? – Weil wir mit der alten Brille die Bedürfnisse und Kaufmotive unserer Kunden nicht mehr so gut sehen?
Vom Nischenhändler zum Millionär
Engelbert Strauss, ein Hersteller für Berufsbekleidung, hat sich auf den frischen Wind eingelassen und das Unternehmen und die eigene Marke neu erfunden. So haben die Brüder Henning und Engelbert Strauss den Zusammenschluss von Arbeitsbekleidung und Mode produktions- wie markentechnisch sehr erfolgreich hinbekommen. Das Unternehmen wurde auf den Feldern der Marktdurchdringung, Markenstrategie und Unternehmensstruktur auf ein neues Niveau gehoben. War Engelbert Strauss früher der brave Händler in einer Nischenbranche, so greift die Marke heute erfolgreich etablierte Modemarken im Bereich Outdoor und Kinderbekleidung an. Und in ihrer Nische ist die Marke der unangefochtene König. Engelbert Strauss zeigt exemplarisch, was eine Marke erreichen kann, sofern das Management offen ist für neue Ideen.
Fazit
Die Evolution und der allgemeine Wohlstand haben ein weitverbreitetes Klima der Veränderungsunwilligkeit geschaffen. Die Evolution hat unsere Wahrnehmungen auf das Lebensumfeld des Hier und Heute hin entwickelt – entsprechend „anfällig“ sind Menschen für den Erhalt des Wohlstandes und des Status quo. Wir schenken dem Gewohnten unser Vertrauen, denn unsere Ansichten und Meinungen werden wesentlich davon geprägt, was wir täglich „sehen“. Unsere Gewöhnung an den heutigen Wohlstand wird so zum Fluch für die Zukunft, weil sie uns bequem und träge im Kopf macht. Schlimmstenfalls können sich Vorurteile und Ängste gegenüber dem Neuen und damit Unbekannten bilden. Gute Analysen eröffnen uns jedoch die Chance, eigene Wahrnehmungen an der Realität zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Die Markenfakten jedenfalls sind immer verfügbar, und es liegt am Einzelnen, ob er diese an sich heranlässt und damit realistischere und so erfolgreichere Marketingkonzepte entwickelt.
Die Chance, die in der Veränderung, im frischen Wind liegt, wird nur durch unsere eigene Vorstellungskraft begrenzt. Erfolgreiches Branding hält ständig Ausschau nach dem nächsten Move – und ruht sich nicht auf dem Gewohnten aus. Der Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ hat für das Marketing eine ebenso hohe Relevanz wie für die große Politik. An der stetigen Weiterentwicklung des Markenauftritts führt kein Weg vorbei. Sie ist der Treiber eines fortschrittlichen Marketings. Eine Markenführung, die nicht nach diesem Qualitätsprinzip handelt, führt zur schwachen Marke. Solche Marken befinden sich in einem Status-quo-Käfig – und dieser steht für Markenerosion.
Besonders in disruptiven Zeiten sollten Manager ihr Denken und Tun regelmäßig reflektieren und sich fragen, ob das, was sie tun und was bis dato den Erfolg ihrer Marke begründet hat, heute noch das Richtige ist, damit ihre Marke auch morgen noch erfolgreich ist. Business gewinnt man im Kopf. Gefragt ist Offenheit gegenüber dem Ungewohnten. Begeisterung für das Neue! Je ideenoffener und experimentierfreudiger Manager sind, desto mehr wird sich ein Unternehmen in der Welt des Morgens zu Hause fühlen. Manager müssen frischen Wind als Energiequelle für ihre Marken nutzen.
Über den Autor:
Roland Albrecht ist Geschäftsführer der Markenagentur GoYa!
Mein Profil: Markendenker und Markenmacher.
Mein Motto: No risk, no fun – because it‘s better to be a pirate than to join the navy.
Warum diese Branche? – Weil Kommunikation die wunderbarste Sache der Welt ist.
Warum Markenagentur? – Weil ich an die Macht der Marke glaube.